It´s party-time !Sylvesterlauf 2008 - Afterrunparty bei Elisabeth. Dort wird die Idee geboren, als Forumsausflug den New-Yorkmarathon zu laufen. Einige Leute sagen an dem Abend zu, einige sagen aber in den kommenden Wochen aber dann auch wieder ab. Im Sog der Sylvestergefühle hat manch einer sich voreilig dazu überreden lassen. Mir geht es anders, mich hat die Idee nicht mehr losgelassen, spukt sie doch schon seit vielen Jahren in meinem Kopf herum. Jetzt sollte es wahr werden, alle Vorzeichen standen gut, und alle Probleme wie Urlaubssperre bei meiner Frau konnten umgangen werden.
11 Monate später war es dann soweit. Anreise nach New-York. Flug war ganz OK, auch wenn wir Holzklasse flogen, Bewegungsfreiheit Null. Das konnte der Vorfreude aber nicht bremsen. Das änderte sich zu Ende des Fluges aber. Nach so einigen Turbulenzen durften wir auch noch 45 Minuten Extrarunden durch den nordamerikanischen Luftraum drehen. Heftigster Anreiseverkehr zum Marathon hat den Luftraum über New-York quasi verstopft. Endlich angekommen kam dann die nächste ungute Überraschung. Lange Warteschlange. Das war aber nur die Warteschlage für die "richtige" Warteschlange. Weit über 3 Stunden durften wir dann noch in der 2ten Warteschlange verweilen. Kurz sehe ich noch Mick1240aus dem Forum. Das erste Mal daß ich mit ihm spreche, obwohl ich ihn mehrmals in der Woche in Schönbrunn laufen sehe:)
Nachdem es schon lange vor dem Landeanflug nichts mehr zum trinken gab, nun noch Stundenlang in einer Warteschlange stehen ohne trinken, nein so hab ich mir das nicht vorgestellt. Irgendwann bricht die erste Person zusammen, andere ältere Personen sitzen/ liegen erschöpft am Boden. Die Laune auf New-York sinkt schnell. Die Immigration selber war dann aber problemlos, der Beamte freundlich. Das Scannen aller Fingerabdrücke und Fotos lässt einen zwar wie in Krimineller fühlen, aber zu dem Zeitpunkt ist es jedem Wurscht. Hauptsache man hat die Schlangestehtortur überstanden. Das erste was ich in NY mach ist laufen - zum Getränkestand. 1 Liter ex getrunken, ich war trocken wie die Wüste Gobi

Dann lerne ich die Reisegruppe von Runner´s Reisen kennen. Mit den Leuten sollte ich die nächsten Tage öfters Kontakt haben - oder auch nicht, dazu später mehr.
Als endlich alle durch die Warteschlage waren, sollte es zum Bus gehen. Nachdem der Busfahrer keine 4 Stunden warten wollte, war er irgendwohin verschwunden. Die Reiseleiter bemühten sich zu dritt den Bus aufzutreiben. Aber auch das war nicht so einfach und so konnten wir noch mal fast 1 Stunde mit warten verbringen. Da war ich schon ziemlich angefressen. Immerhin hatte ich nicht wie andere Leute für den Abend Tickets am Broadway reserviert - da wäre ich dann richtig böse gewesen wenn ich auch noch eine Veranstaltung verpasst hätte....
Am nächsten Tag ging es dann schon gleich los ins New-Yorker Getümmel. Startkarten abholen. Nach dem langen Schlangestehen vom Vortag befürchtete ich Schlimmstes. Aber es sollte anders kommen. Wartezeit max 30 Sekunden, und das in allen Bereichen, Nummer abholen, T-Shirt abholen, Startsackerl, alles lief extrem reibungslos. Verwunderung und ein bisschen ein Wiedergutmachung des Ärgernisses vom Vortag. Die Marathonmesse durchging ich im Eilschritt. Kaum Schnäppchen aber riesige Auswahl. Ich kaufe Marathonbabykleidung für das Kind meines Trauzeugen, das 2 Tage später am Marathontag zur Welt kommen sollte. Wirkliche süße Babysachen gab´s mit Aufschriften wie "Marathonkrabbeln"," meine Mutter ist schneller als deine"," Born to run" etc. Ideale Geschenke für ein Neugeborenes . Außerdem kaufe ich mir die von Frau Schmidt schon angepriesenen Laufhandschuhe , wo auf jedem Finger ein Borough drauf steht. "Manhattan, Queens, Brooklyn, Staten Island, Bronx"
Die große Reisegrupe von Runnersreisen war eher eine Ansammlung von Einzelgruppen. Die meisten Leute sind in Kleingruppen zusammen angereist. Alles Leute die sich gegenseitig schon kannten, und es gab kaum Durchmischung und Kommunikation unter den Gruppen. Trotz anfänglichen Kommunikationsversuchen habe ich es bald aufgegeben, und mich nur mehr in meiner Kleinstgruppe aufgehalten - meine Frau und ich . Als dann irgendwann Dogrun mit seiner Familie angereist ist, hat sich die Lage dann doch noch geändert.
Die Tage in New-York verbringe ich mit Sightseeing, meine Frau war noch nie in New-York und ich spiele Reiseführer. Natürlich zeige ich auch die reichlich vorhandenen Shoppingmöglichkeiten. Nur - nach 2 Tagen bekomme ich einen massiven Muskelkater in den Waden. Shoppen habe ich nicht trainiert - das war mein größter Fahler bei der gesamten Reise. Die Stadt ist einfach riesig, da macht man unwillkürlich dutzende Kilometer wenn man auch nur ein wenig was anschaut. Somit beschließe ich dann auch schon am Samstag daß ich mein Ziel 3:45 aufgebe und auf Gefühl und Genuss laufen werde. Das Training in Wien war ja auch schon ziemlich schief gelaufen . Ganze 5 Wochen habe mir an Training gefehlt, immer wieder hatte ich kleine Verletzungen, Zerrungen etc . - aber alles selbst verschuldet weil ich zu ehrgeizig im Training war und zu viel auf einmal erreichen wollte. So hatte ich nun genau das Gegenteil.
Am Samstagmorgen sollte noch der Continental Airlines Friendshiprun belaufen werden. Auf dem Weg zu Start muss ich mir unterwegs das Geschwätz zweier Leute mit anhören die über die bösen Ausländer in Wien reden. Und das am Weg zum Internationalen Friendshiprun. 110 Nationen die Freundschaftlich zusammen durch die Stadt laufen wollen, die als melting pot der Welt gilt. Schmelztiegel vieler Nationen. In Brooklyn werden 100 Sprachen gesprochen, und alle halbwegs harmonisch zusammen. Das Geschwätz finde ich hier komplett unpassend und störend. Später sollte noch andere Reisegruppenmitglieder negativ auffallen, die sich über Kanaken und Schwarze lustig machen. Da ist das frauenfeindliche Gerede eines bekannten Herrn Z schon nicht mehr auffallend.
Durch Zufall treffe ich Richy in der Menge (oder er hat mich gesucht) Auf jeden Fall sehr schön ein bekanntes Gesicht zu sehen und tratschen zu können. Der Lauf selber entpuppt sich als reiner Fototermin, denn laufen kann man hier eh nicht wirklich. Aber schönes Gefühl in der Menge der Nationalitäten durch die Hochhausschluchten zu laufen. In der Menge sehe ich dann auch irgendwo die Maria400 , klein ist die Welt...
Nach dem Lauf frühstücke ich mit Richy im Fluffy´s , meine Frau hat uns leider nicht finden können. Daher kann ich dann auch mit Richy frei über die Frauen am Tresen reden die anscheinend auch vom laufen kommen. Ganz besonders fällt mir eine Frau auf deren Beine ich bewundere und Richy sage wie fesche Beine die doch hat. Dann dreht sie sich um , und er erkennt dass es Lisa H ist. Man kann über sie sagen was man will, aber ihre Beine sind eine echte Augenweide

Sonntag - Marathontag. Es ist sehr frühes Aufstehen angesagt.Um 5:30 fährt der Bus weg, denn um 7 wird die Verrazano-bridge gesperrt. Entweder man ist nach 7 drüben oder man hat Pech gehabt. Umso strikter wird auch die Abfahrtszeit eingehalten. Die Hinfahrt vergeht wie im Fluge, es gibt unterwegs ja noch genug von der Stadt zu entdecken. Bei der Ankunft im Startbereich wird man schon von einer Reihe Jugendlicher bejubelt. Unglaublich. Nur dafür dass man in der Früh Aufgestanden ist und in den Startbereich gefunden hat

Ab und zu sieht man ein paar Tropfen vom Himmel fallen. Es ist sehr bewölkt, ziemlich kalt und die Angst dass es währen dem Marathon regnet wird immer größer. Noch mehr Angst als vor den Regentropfen habe ich vor der langen Wartezeit und befürchte dass ich zu stark auskühle und mich zu Tode langweile. Aber beides lässt sich vermeiden, durch Verzehr von Bagels und warmem Kaffee. Zweiteres absolut wichtig für mich vor einem Marathon. So kann ich auch 3 Mal aufs Klo, das passenderweise "Royal Flush" heißt. Das einige Problem das ist hier gibt ist die Farbwahl, soll ich aufs Grüne braune oder aufs weiße Dixie? Es gibt unendlich viele und die Wartezeit ist Null. Da könne sich andere Veranstalter noch was abschauen. Sogar später im Startblock stehend kann ich noch ein letztes Mal das (nicht mehr stille) Örtchen aufsuche. Eigentlich mag ich es ja nicht über solche Dinge in einem Bericht zu schreiben, aber es ist hier eben doch erwähnenswert.
Während der Wartezeit habe ich mich auf dem Rasen liegend gemütlich gemacht. Der Boden ist zwar leicht feucht, aber die mitgebrachte New-York Times vom Vortag ist so dick dass man sie so weit ausbreiten kann dass man auch als großer Mensch der Länge nach kälte- und feuchtigkeitsgeschützt am Boden liegen kann. Als weiterer Vorteil erweist sich dann, dass man die Unterlage auch vorzüglich lesen kann, der Feuilletonteil der NY-Times ist ganz OK

Die Wartezeit vergeht schneller als befürchtet. 3 Startwellen gibt es, dann ist die Startwelle noch in Blöcke unterteilt, und man braucht sich keine Sorgen zu machen dass man keinen Platz hat. Trotzdem steigen einige Läufer panisch über den Zaun, die haben wohl zu viele andere Marathon erlebt wo es anders abläuft ( z.Bsp. Berlin...)
Obwohl ich in der ersten Welle starten durfte, beschloss ich erst in der zweiten zu starten da ich dort weniger Stress haben sollte, weil ich niemandem im Weg stehen würde und außerdem habe ich Dogrun als Wartebegleitung gefunden. Ich weiß dass er viel schneller laufen kann als ich, und wenn auch er dort steht, dann stehe ich sicher nicht falsch, Außerdem vergeht so die Zeit noch schneller.
Bald geht es Schlag auf Schlag, so schnell dass ich gar nichts mehr richtig mitbekomme. Startschuss, Sinatra "läuft" im Hintergrund und es geht die Verrazanobridge hinauf. Wunderschön, im Hintergrund ganz klein Manhattan, unter uns fährt gerade ein riesiges Kreuzfahrtschiff durch, ein Feuerwehrboot schießt eine mächtige Wasserfontäne in die Luft. Alle Läufer laufen dahin, ohne Stress, kein Gedränge, ich kann vom ersten Meter an frei laufen, kein Schubsen, kein Zickzack, alles perfekt.
Vom ersten Moment an weiß ich dass ich den Lauf genießen werde, und mir keinen Zeitdruck machen werde. So schaue ich auch nie auf die Pulsuhr, lasse es einfach frei laufen . Wohlfühltempo. Erst in Wien zurückgekehrt schaue ich mir meine Pulskurve an und entdecke dass ich mit 145 Durchschnittspuls gelaufen bin, das ist e-pace, entspricht auch dem Tempo das ich gelaufen bin. Ein Marathon in e-pace. Zum Schluss steigt der Puls dann doch noch stark an , obwohl ich nicht schneller gelaufen bin und es auch keine Steigungen mehr gab. Das führe ich auf die fehlenden Longjogs und das mangelhafte Training zurück. So geht es dahin, die Brücke überquerend, fotografierend, Leute beobachtend, laufend, mich freuend dabei sein zu dürfen. Sobald wir Staten Island verlassen, beginnt auch schon Brooklyn.
Da geht´s schon los, Musik, Menschenmassen. Anfeuerungsrufe, Pfeifen, Trommeln, Stimmung am brodeln, und es reißt nicht ab. Man schwebt auf einer einzigen Welle dahin. Unglaublich. Musik reißt nicht ab, es ist wie das "faden" von einem DJ, eine Band nach der anderen. Die km zerfließen einem unter den Beinen. Ab km 10 muss ich kämpfen, habe einen mächtigen Kloß im Hals. Ich bin kurz vorm weinen. Die nächsten km bin ich in einem selten erlebten runner´s high. Erst im jüdischen Viertel kommt abrupt die Stille und erwacht mich aus meinem Freudentaumel. Dort ist absolute Stille, keine Zuschauer, keine Musik, und auch die Läufer sind dort ganz still, man hört einen km lang nur das Abrollgeräusch von hunderten Laufschuhen. Gespenstisch. Dann die nächste Kurve ist man wieder mitten drin im NY-Jubel. Es ist Party. NY feiert die Läufer - die Läufer feiern New-York.
Erst Brücken werden überquert, das Panorama auf Manhattan in Großbild. Wunderbar. Dann geht´s die 1st Avenue hinauf. Menschenmassen und irgendwo mittendrin sehe ich dann meine Frau. Sie behauptet ich wäre in Trance gelaufen und hätte so glücklich ausgeschaut. Ich weiß es nicht mehr, ich habe sie zwar gesehen , mich sehr gefreut aber im Meer der Gefühle kann ich es nicht mehr einordnen. Die nächsten Brücken führen uns in de Bronx. Publikum ändert sich äußerlich, Stimmung bleibt gleich. Viele Leute bringen von zu Hause Sachen mit, wovon sie glauben einem Läufer Freude zu bereiten. Bananen ( offiziell gibt es vom Veranstalter nur Getränke) , Gummibärchen werden gereicht, Vaseline auf "Eis am Stiel"-Holz, und vieles andere mehr das ich nicht identifizieren kann. Die Leute wollen helfen und uns ins Ziel bringen. Beeindruckend.
Ab km 35 werden die Füße schwer aber ich kann das Tempo ohne Problem weiterlaufen, bin ja auch gemütlich unterwegs. Im Central Park sehe ich Isabelle dann noch einmal kurz, sie scheint auch eine Freude am Geschehen zu haben. Ist ja auch Party, das mag sie eh

Viel zu schnell sind wir im Ziel, ich würde am liebsten weiterlaufen, am liebsten den Marathon von Anfang noch einmal ganz durchlaufen. Die letzten schweren km freue ich mich aber insgeheim schon auf das Bier das ich mir im Ziel erhoffe. Richy hat eines zum feiern ins Ziel gebracht. Leider finde ich ihn dann doch nicht. Schade. Aber immerhin hat es mich die letzten km gedanklich begleitet

Auch im Ziel funktioniert alles perfekt. Viel los in der 4 Stundenläufer-Gruppe, aber kein Gedränge. Alles läuft sehr gesittet ab.
Auf dem Rückweg ins Hotel gehe ich eine Seitenstraße dem Gedränge aus dem Weg, und auf der Straße wird man als Finisher von jedem 2ten Fußgänger beglückwünscht.
Am nächsten Tag ist wieder New-York-Tourismus angesagt. Ich will jetzt keinen Reisebericht hier schreiben, aber erwähnenswert war das Musical am Abend. Frenetischer Beifall für die Darsteller. Dann kommen die Darsteller alle noch mal auf die Bühne und fragen ob Marathonläufer im Saal sind. Die wollen sie nämlich beglückwünschen. Applaus vom ganze Saal an die Läufer. So ist es auch Usus dass man den ganzen Folgetag (rsp. Tage) die Medaille um den Hals hängen hat. Überall wird einem dann die Tür geöffnet, in den Restaurants klopfen die Leute auf den Tisch um Respekt zu zollen. Das wurde mir schon vorher erzählt, das war mir persönlich dann doch zu viel und es wäre mir peinlich. Daher verstecke ich die Medaille in der Jackentasche. Mitschleppen tu ich das Ding trotzdem, die ist nämlich nicht nur groß sondern auch sehr schön. Und ein wenig stolz bin ich doch drauf, obwohl ich langsam gelaufen bin.
Trotz der Massenveranstaltung, die ich ja hasse wie der Teufel das Weihwasser, ist es eindeutig mein bisher schönster Marathon gewesen. (und hat somit den LCC-Marathon von 2006 abgelöst) Großer Kontrast

Aber Größe ist ja bekanntlich nicht alles, aber hier in New-York hat trotz Größe alles gepasst. Wolferl42195 hat beim Vollmondlauf passend geschlussfolgert: Berlin ist Marathon. New-York ist Party.
edit: Ergänung km-Zeiten.
Da mein Laufsensor einen WK-Modus hat, und genau weiß wann er den Geist aufgeben muss, damit ich nicht zu viel auf die Uhr schaue, habe ich mir meine km-Zeiten aus den offiziellen Zwischenzeiten ausgerechnet:
km 0-5: 5:38 min/km
km 5-10: 5:22 min/km
km 10-15: 5:27 min/km
km 15-20: 5:28 min/km
km 20-25: 5:38 min/km
km 25-30: 5:35 min/km
km 30-35: 5:39 min/km
km 35-40: 5:35 min/km
km 40-42: 5:36 min/km